150 Jahre Wallwitzhafen

Die Stadt Dessau liegt an der Mulde, aber diese war nie schiffbar. Vielleicht wurden jedoch früher Baumstämme zu Tale geflößt.

Nördlich von Dessau fließt die Mulde in die Elbe. Südlich der Muldemündung befindet sich der Fährsee und noch ein Stückchen weiter der Peisker. Sie waren wahrscheinlich alte Muldearme und vom Hochwasser ausgespülte Rinnen. Beide münden ebenfalls in die Elbe. Die Flußlandschaft zwischen ihnen war früher ein sumpfiger Uferabschnitt, der Moderberg genannt wurde.

Als es noch keine Brücken über die Elbe und die Mulde in Richtung Zerbst und Coswig gab, fuhr hier eine Fähre über die Elbe. So sparte man die Muldefähre ein.

Seit ältesten Zeiten bestand hier ein Verladeplatz, wo die Fürsten von Anhalt das Zoll- und Stapelrecht ausübten.

Das Stapelrecht, schon im 16. Jahrhundert für Dessau belegt, besagt, daß jedes oberländische, mit Holz oder Brettern beladene Floß auf der Elbe bei Dessau anlegen mußte, „damit man hinausging, um den Zoll zu nehmen“.

Außerdem mußten die Schiffe „ drei Sonnenscheine“ liegen bleiben, falls jemand aus der Stadt etwas kaufen wollte.

Am 20. April 1839 fuhr das 1. Dampfschiff von Hamburg nach Dresden an Dessau vorbei. Vorher gab es nur Segelboote oder Schiffe die mittels Muskelkraft oder durch Pferde stromauf getreidelt wurden.

Im Jahre 1848 wurde die Stelle Moderberg notdürftig befestigt und planiert. So konnten Kaufmannsgüter und vor allem böhmische Braunkohle entladen werden.

Am 3.Juni1839 war der 1. Spatenstich für den Bau der Berlin – Anhalter – Eisenbahn. Diese führte von Berlin über Coswig und Dessau nach Köthen und unmittelbar am Moderberg vorbei. Der Berlin – Anhalter – Eisenbahngesellschaft wurde das Gelände um den Moderberg mit übergeben.

Als nun die Eisenbahnstrecke Dessau – Bitterfeld – Leipzig von der gleichen Gesellschaft gebaut wurde (eröffnet am 17.8.1857), fielen große Erdmassen für den Ausbau der Strecke an der Haideburg an. Diese Erdmassen lagerte man am Moderberg ab und erhöhte und festigte die frühere sumpfige Gegend.

Die Eisenbahngesellschaft erkannte die günstige Verkehrslage am Moderberg, nämlich daß der Elbelauf, die Eisenbahn und die Straße dicht beisammen waren. Sie errichtete dort einen Verladeplatz für Braunkohle aus dem Bitterfelder Revier. Die Anfuhr erfolgte durch die Eisenbahn und auf dem Wasserwege weiter bis Hamburg. Da das Geschäft gut lief, wurde in eine Kaimauer und eine Kohlenrutsche investiert.

Die Bemühungen hatten keinen bleibenden Erfolg. Die minderwertige Bitterfelder Braunkohle konnte sich gegenüber der böhmischen Braunkohle, mit ihrem höherem Heizwert, nicht durchsetzen.

Trotzdem war der Anfang getan. So errichtete die Firma Ziegler, Uhlmann & Co. (gegründet am 2.1.1859) im Herbst 1859 südlich des Fährsee eine Niederlassung. Kaufmannsgüter wurden mit der Eisenbahn und mit Fuhrwerken angeliefert, auf Schiffe verladen und auch umgekehrt. Das Geschäft lief gut an und steigerte sich.

Am 1. März 1861 gründeten die Kaufleute Oehme aus Kieritzsch und Herbst aus Leipzig in Leipzig den Speditionsverein Wallwitzhafen.

Am 19.März 1861 erhielt die gesamte Anlage, durch eine herzogliche Verordnung, den offiziellen Namen „Wallwitzhafen“. Die Namensgebung erfolgte nach einem alten Dessauer Geschlecht „derer von Walwitz“, welche in dieser Gegend Landbesitz besaßen.

Die Leipziger Firma baute noch im gleichen Jahr am Peisker Stützmauern, Speicher und Verladekräne mit Handantrieb. So entstand der bedeutendste Umschlagplatz an der Mittelelbe für Massenbedarfsgüter. Die häufigsten Güter waren: Kohle, Roheisen, Düngemittel, Zement, Kalk, Getreide, Zucker, Fische, Öle, Fette usw.

Alle Waren gelangten mit der Eisenbahn schnell nach Leipzig und weiter nach Sachsen, Thüringen und Bayern. So ist es nicht verwunderlich, daß die Eisenbahngesellschaft mit günstigen Tarifen den Transport unterstützte.

Auch Steuererleichterungen belebten weiter das Geschäft.

Bald reichten die einfachen Holzschuppen am Hafen nicht mehr aus. Es wurden gemauerte, dreistöckige Speicher errichtet. Durch die allgemeine Aufschüttung war das Hafengelände hochwassersicher, was sich auch bei der Jahrhundertflut im August 2002 zeigte.

In der Zeit von 1858 bis 1877 betrug der Warenumschlag im Wallwitzhafen 14 319 Tonnen.

Im Dezember 1861 öffnete der Personenbahnhof Wallwitzhafen.

1865 ersetzte man die ersten handbetriebenen Kräne der Speditionsfirma durch Dampfkräne. Das steigerte den Warenumschlag und beseitigte die schwere Handarbeit. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden alle Hafenkräne auf Elektroantrieb umgestellt. Die Hubkraft betrug 9 Mp.

Die Leipziger Speditionsfirma tat alles, um ihre führende Rolle an der Mittelelbe zu halten. Sie errichtete zwei große, gemauerte Speicher mit Kellerräumen, fünf große Fachwerkspeicher, 26 Lagerschuppen aus Holz, Verwaltungsgebäude, Räume für die Zollabfertigung, Wohnhäuser und Werkstätten.

Die Belegschaft betrug 150 –250 Hafenarbeiter und 40 Angestellte.

In der Zeit von 1871 bis 1926 bestand auf dem Elbabschnitt von Magdeburg bis nach Schmilka die Kettenschiffahrt. Die Schiffe zogen sich an einer gewaltigen Eisenkette stromauf und auch stromab. Dadurch wurde die Fahrzeit verkürzt, die Lasten konnten erhöht werden und der Schiffstransport nahm einen weiteren Aufschwung.

Es gab jedoch auch Rückschläge. So unterspülte das Elbehochwasser im April 1895 die Hafenmauer am Peisker. Der Schaden mußte mit großem Aufwand wieder behoben werden.

Im März 1896 erfolgte die Fusion der Firma Ziegler, Uhlmann & Co. und der Leipziger Speditionsfirma. Beide Betriebe hatten lange Jahre nebeneinander ihr Geschäft geführt, aber die Speditionsfirma konnte sich am Peisker besser ausdehnen. Gemeinsam erhöhten sie dadurch ihre Produktivität. Die neue Firma war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und nahm den Namen der Speditionsfirma an. Seit dem 8. September 1899 hieß die neue Firma „Speditions-Verein Mittelelbische Hafen- und Lagerhaus-Aktien-Gesellschaft“. Diesen Namen behielt sie bis 1946.

Zu diesem Unternehmen gehörten auch die Häfen in Halle/Saale, Torgau und Kleinwittenberg.

Eine Kohlen-Handelsabteilung mit einem Stadtkontor (1907) und ein Reisebüro (1924) erweiterte den Geschäftsbereich der Firma.

Zur Veranschaulichung der Geschäftslage sind die Warenumschläge der folgenden Jahre aufgeführt:

 

Jahr Schiff zu Bahn (t) Bahn zu Schiff (t) Bahn zu Bahn (t)
1885/86 77 334 22 923 1 377
1886/87 103 100 59 781 1 266
1895/96 167 650 62 613 823
1898/99 168 658 87 465 776
1903/04 211 174 111 648 865
1904/05 137 061 98 468
1906/07 101 108 81 881
1907/08 193 047 113 620
1908/09 197 186 104 044
1909/10 206 284 111 568

In der Zeit des 1. Weltkrieges sank natürlich der Warenumschlag beträchtlich. Im Jahre 1924 hatte das Unternehmen jedoch die Vorkriegsmenge wieder fast erreicht.

 

Die Anzahl der anlegenden Schiffe betrug:

 

Jahr Schleppdampfer Kettendampfer Segelschiffe,

beladen

Segelschiffe,

leer

1903/04 542 219 1 090 143
1904/05 598 188 980 210
1906/07 583 75 1 021 140
1907/08 697 83 1 300 179

 

(aus: Haushaltsetat der Stadtgemeinde Dessau, Stadtarchiv Dessau, Inv. Nr. 1 144)

 

Im Wallwitzhafen wurden auch die Schnelldampfer der „Neuen Norddeutschen Flußdampfschiffahrts – Gesellschaft“ abgefertigt. Dieser Eilgutverkehr erfolgte nach einem festen Fahrplan von Torgau nach Hamburg und zurück. Im Wallwitzhafen legten die Schiffe ebenfalls an. Die Fahrzeit betrug von Wallwitzhafen nach Hamburg zwei Tage und zurück stromauf drei Tage.

Auch nach Berlin und Stettin mit Anschluß nach Schlesien und anderen ostdeutschen Häfen bestand ein regelmäßiger Schiffsverkehr.

 

Mit der Inbetriebnahme der Straßenbahn Dessau – Roßlau im Jahre 1907 verringerte sich der Personennahverkehr für den Bahnhof Wallwitzhafen. Vorher wurden etwa 25 000 Fahrgäste jährlich abgefertigt.

 

Ab 1934 wurden die Verladeeinrichtungen im Wallwitzhafen, im Hinblick auf den geplanten Krieg, modernisiert und ein großer Getreidesilo errichtet.

 

Bei dem großen Luftangriff am 7. März 1945 zerstörten Spreng- und Brandbomben auch die Gebäude und Hafenanlagen des Wallwitzhafen schwer.

Wegen der schlechten Versorgungslage der Stadt Dessau machte sich nach dem Kriege der Wiederaufbau des Wallwitzhafen erforderlich. 1951 erreichte die Umschlagskapazität den Stand aus dem Jahre 1937, zu dieser Zeit waren fünf Kräne in Betrieb.

Der Wallwitzhafen war ab September 1950 ein Teilbetrieb des VEB Schiffahrt – und Umschlagsbetriebszentrale Potsdam, danach des VEB Binnenhäfen Saale. Baustoffe, Getriebe und Rohmaterialien für die Maschinenbaubetriebe waren die hauptsächlichen Umschlagsgüter.

Aber der Wallwitzhafen hatte keine Zukunft. Ab dem Jahre 1965 wurde der Hafenbetrieb zugunsten des Roßlauer Hafen zurückgenommen und im Jahre 1975 war die Verlagerung abgeschlossen.

 

Wie sieht es nun im Jahre 2006 im Wallwitzhafen aus? Es ist wieder Leben eingezogen, denn der „Wassersportclub (WSC) Wallwitzhafen e.V.“ hat hier sein Domizil aufgeschlagen.

Begonnen hat alles im Jahre 1975. Sportfreunde des VEB Abus Dessau erhielten die Genehmigung zur Gründung einer Sektion Wasserwandern. Ihr Vorsitzender war der Sportfreund Oskar Foerster. Das zugewiesene Gelände war die ehemalige Roßlauer Badeanstalt am Kilometer 258,5.

Im Jahre 1984 erhielt der Verein die Genehmigung das Gelände am Peisker des Wallwitzhafens zu nutzen. Zu dieser Zeit gab es 34 Vereinsmitglieder. Gemeinsam wurde das Gelände beräumt und ein alter Lokschuppen zum Clubheim umgebaut.

In den folgenden Jahren haben die Mitglieder sich viel erarbeitet, viel geschaffen und das Gelände ständig zum Wohle des Vereins verändert.

Die Organisierung der Jugendmeisterschaften und der Skippertreffen des Landesverbandes Motorsportboot Sachsen-Anhalt haben den Verein auch überregional bekannt gemacht.

Im Jahre 2006 hat der Verein 52 Mitglieder mit ca. 20 Motorbooten.

Nach der Wende 1989 hatte der Szene Club „Global Village“ für einige Zeit in einem Gebäude seine Räume. Zu den Tanzveranstaltungen kamen oft über 1000 Jugendliche aus ganz Mitteldeutschland.

 

 

Literatur:

Würdig/Heese, Die Dessauer Chronik, 13. Heft

Rund um die Sieben Säulen, ein Almanach, 1991

Gundmann, L., Dessau – Wörlitzer – Kulturlandschaft, 1992

Königer, Gerda, Auszug aus der Chronik zum 30. Jubiläum Wasserwandern –

Wassersportclub Wallwitzhafen, 2005

 

 

Monika und Werner Wichmann

Heimatverein für Dessau-Ziebigk

im Anhaltischen Heimatbund e.V.